Sichelzellanämie: Erstmals Genscheren-Medikament zugelassen

Sichelzellanämie: Erstmals Genscheren-Medikament zugelassen

Last Updated on November 26, 2023 by Joseph Gut – thasso

 25. November 2023 – Die Sichelzellanämie oder Drepanozytose ist eine erbliche Erkrankung der roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Sie gehört zur Gruppe der Hämoglobinopathien (Störungen des Hämoglobins) und führt zu einer korpuskulären hämolytischen Anämie. Bei den Betroffenen liegt eine Mutation der β-Kette des Hämoglobins vor. Es können entweder alle β-Ketten betroffen sein (schwere, homozygote Form) oder nur ein Teil (mildere, heterozygote Form).Die Krankheit tritt vor allem bei Personen aus Subsahara-Afrika deren Nachfahren, aber auch in Teilen des Mittelmeerraums und des Nahen Ostens bis Indien auf und wurde durch Migration global verbreitet.  Sie ist nach wie vor in den Entwicklungsländern mit einer hohen Mortalität verbunden.

In Großbritannien ist weltweit erstmals ein Medikament zugelassen worden, das Gemäß der MHRA (Medicines and Healthcare products Regulatory Agency) auf der Genscheren-Technologie CRISPR/Cas.  Casgevy (exagamglogene autotemcel) heißt dieses Medikament, das zur Behandlung von zwei genetisch bedingten Bluterkrankungen zugelassen ist, nämlich der Sichelzellanämie und der Beta-Thalassämie bei Patienten ab zwölf Jahren. Die Hoffnung ist, dass Casgevy langfristig oder sogar ein Leben lang wirkt.

Bei beiden  genetisch bedingten Bluterkrankungen liegen Fehler im Gen für Hämoglobin zugrunde. Hämoglobin kommt in roten Blutkörperchen vor und dient dazu, Sauerstoff zu transportieren. Die sogenannte Genschere CRISPER/Cas kann gezielt auf die Reparatur einzelner defekter Gene ausgerichtet werden.

“Casgevy” dient dazu, die fehlerhaften Gene in Knochenmark-Stammzellen der Patienten zu verändern, damit sie funktionierendes Hämoglobin produzieren können, heist es in einer Mitteilung der MHRA. Dafür werden Stammzellen dem Knochenmark entnommen, im Labor bearbeitet und dann wieder in den Patienten eingesetzt. Für die Therapie ist ein mehrwöchiger Krankenhausaufenthalt notwendig. In einer kürzlichen klinischen Studie waren von 28 Patienten mit der Sichelzellanaemie, welche mit dem Medikament behandelt wurden,  97 Prozent mindestens ein Jahr lang frei von schweren Schmerzanfällen. Bei der klinischen Studie mit Beta-Thalassämie-Patienten, die auf Bluttransfusionen angewiesen sind, brauchten demnach 93 Prozent (39 von 42 Patienten) für mindestens zwölf Monate keine Transfusion roter Blutzellen. Bei den übrigen drei Patienten war zumindest eine 70-prozentige Reduzierung der Bluttransfusionen möglich.  Die Behandlung habe aber das Potenzial, lebenslang zu wirken Dies bedeutet einen enormmen Fortschritt in der  Therapie dieser Erkrankungen, da einerseits sowohl die Sichelzellanaemie als   die Beta-Thalassämie  schmerzhafte, lebenslange Erkrankungen sind, die in manchen Fällen tödlich verlaufen könnnen und andererseits bisher  eine Knochenmarktransplantation, welche von einem gut passenden Spender kommen musste und das Risiko einer Abstoßung mit sich brachte, die einzige dauerhafte Behandlungsoption war.

Es bestehen jedoch auch einige Bedenken zur der Therapie. Klinische Forscher vom Universitätsklinikum Regensburg, geben zu bedenken, dass wir nicht zu 100 Prozent sicherstellen können, dass durch die Genschere nicht auch andere DNA-Abschnitte verändert werden. Zudem ergeben sich in der CRISPER-Therapie erhebliche Nebenwirkungen und die Therapie ist extrem teuer und daher wohl nicht für alle potentiellen Patienten zugaenglich aus Mangel an den nötigen Mitteln.

Im weiteren ist die Therapie extrem komplex, erfordert eine aufwendige Logistik und wird absehbar aufgrund der benötigten Ressourcen nicht unbegrenzt skalierbar sein, sondern nur für eine begrenzte Zahl von Patienten pro Jahr zur Verfügung stehen. Die aktuellen klinischen Studien zur Crispr-Therapie sind zwar vielversprechend, aber selbst die zuerst behandelten Patienten sind erst etwa vier Jahre nachbeobachtet worden. Auch wenn es bisher keine Hinweise darauf gibt, könnte es sein, dass die Wirkung der Gentherapie über die Jahre nachlässt, weil beispielsweise die Lebensdauer der manipulierten Blutstammzellen verkürzt ist.

Hergestellt wird das Medikament in einer Kooperation der Unternehmen Vertex und CRISPR Therapeutics, die ihren Hauptsitz in den USA und der Schweiz haben. Nach Schätzungen der beiden Unternehmen zufolge dürften in Großbritannien derzeit etwa 2000 Menschen für die Behandlung mit Casgevy infrage kommen. CRISPER findet bereits Verwendung in verschieden Bereichen der Medizin und sogar in der Pflanzenbiologie (siehe thasso  hier).

 

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Professor in Pharmakologie und Toxikologie. Experte in theragenomischer und personalisierter Medizin und individualisierter Arzneimittelsicherheit. Experte in Pharmako- und Toxiko-Genetik. Experte in der klinischen Sicherheit von Arzneimitteln, Chemikalien, Umweltschadstoffen und Nahrungsinhaltsstoffen.

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