Gibt es hinter den Semaglutid-Medikamenten eine lebendige Pharmakogenovigilanz?

Gibt es hinter den Semaglutid-Medikamenten eine lebendige Pharmakogenovigilanz?

Last Updated on August 18, 2023 by Joseph Gut – thasso

10. August 2023 – Kürzlich haben wir bei thasso einen Artikel (Blog) Semaglutid betreffend, welches in den Medien seit kurzer Zeit als Wundermittel zur Gewichtsabnahme gepriesen wird, veröffentlicht. In der Form des neuen kommerzialisierten pharmazeutischen Produktes Wegovy (Semaglutid) hat Semaglutid danach  gemäss sozialen Medien bei einigen Berühmten und Prominenten dieser Welt, wie z.B. Herrn Musk, spektakuläre Ergebnisse bei der Gewichtsabnahme erzielt. Bei allem Hype denkt und fühlt thasso, dass für den/die normale Patientin/Patienten eine gewisse Vorsicht am Platze ist;  dies hat thasso in seinem ersten Artikel adressiert und tut es hier nochmals in leicht anderen Zusammenhang. Es geht um die Sicherheit und das Fehlen der Information zu unerwünschten Medikamenten-Effekten (ADRs), in einzelnen Personen in der allgemeinen Bevölkerung.

Die immerwährende Frage, mit oder ohne meinem GPL-1 Agonien: Sind die Pfunde verschwunden, und wenn ja, wohin?

Semaglutid ist ein pharmakologischer Wirkstoff mit antidiabetischer Wirkung wie Ozempic (Semaglutid) und Rybelsus (Semaglutid), welche für die Behandlung von Patienten mit Typ-2-Diabetes zugelassen sind, um die Bemühungen zur Reduzierung der damit verbundenen Pfunde zu kontrollieren. Wegovy (Semaglutid) dagegen ist in erster Linie dazu bestimmt und zugelassen zur Reduktion der Fettleibigkeit des Überwichtes ausserhalb der Diabetes-Indikation, um eine langfristige Gewichtsreduktion zu erreichen. Es handelt sich um ein dem Hormon Glucagon-ähnliches Peptid-1 (GLP-1) ähnliches Peptid, das durch eine seitliche Kette modifiziert wurde. Das Semaglutid ist ein Agonist des GLP-1-Rezeptors. Es bedeutet, dass es die Wirkung des menschlichen GLP-1-Inkrements nachahmt, zusätzlich die Insulinsekretion steigert, die Glykämie-Eliminierung steigert und die Glykämie-Kontrolle verbessert .

Zu den unerwünschten Arzneimittelreaktionen (Sekundärwirkungen) von Semaglutid gehören möglicherweise Atemwegserkrankungen, Müdigkeit, Magen-Darm-Probleme, Durchfall, Verstopfung und Blähungen, hohe Temperaturen, Magenprobleme und Übelkeit, Erbrochenes, Unterleibsschmerzen, Durchfall, Verstopfung, Blähungen, und andere Krankheiten wie Selbstmordgedanken, Anaphylaxie (eine allergische Reaktion des Systems mit möglichem fatalem Ausgang). Die Pharmakovigilanz zeigt auf, wie Patienten nach der Kommerzialisierung über der Sicherheit von Arzneimitteln berichten, wie.B. hier für die vermarkteten Arzneimittel auf Semaglutid-Basis. Dabei werden die Fälle erfasst, wo es zu einer unerwünschten Reaktion der/des Patientin/Patienten gekommen ist. Solche Reaktionen können möglicherweise in einer Beziehung mit einer bestehenden (genetischen) Veranlagung eines Patienten in der Entwicklung eines solchen unerwünschten Phänotypen stehen.

Die klinische Phänotyp hat eine medizinische Ursache. Der aktuelle Ansatz zur Pharmakovigilanz lässt die genetischen Ursachen der Veranlagung von Patienten für die Entwicklung eines unerwünschten Phänotyps in der Klinik aufgrund medizinischer Merkmale weitestgehend unerkannt. Es kann jedoch entscheidend sein, dass die Entwicklung einer unerwünschten Wirkung auf die genetische Ausrüstung des Patienten zurückzuführen ist. Wenn Ihnen Medikamente auf der Basis von Semaglitude zur Verfügung stehen, sprechen sie über ein Medikament, das den GLP-1-Rezeptor als Target hat. Die genetischen Va

Potenziel gravierende Nebenwirkungen.

rianten des GLP-1 Rezeptors werden jedoch in der klassischen Pharmakovigilanz nicht weiter in Betracht gezogen. Es gibt jedoch umfangreiche Erkenntnisse wie solche Varianten den Zustand/Diabetesgrad von Patienten usw. beeinflussen können wie zum Beispiel die Reduzierung des HbA1c, auch aufgrund erheblicher Unterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen, unterschiedlichen Geschlechts, und ethnischer Herkunft.

Diese Erkenntnisse fliessen in das moderne Konzept der Pharmakogénovigilance ein, welches die pharmakogénomischen und genetischen Daten der Patienten in den Berichten zur Pharmakovigilanz integriert. Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass die Gene eine wesentliche Rolle bei der Variabilität der Reaktion auf Medikamente spielen und die pharmakogenomischen Wirkstoffe mit unerwünschten Wirkungen von Medikamenten (EIM) belasten. Die genetischen Variationen wirken sich auf die Art und Weise aus, wie das Medikament wirken kann (gewollt oder unbeabsichtigt (was unerwünscht ist)), da es sich um eine große Anzahl von Patienten handelt und einen Teil der Patienten mit unerwünschten, nicht sichtbaren Wirkungen prädisponiert

Im Rahmen der Pharmakovigilanz hat die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) eine Untersuchung von Ozempic (Semaglutid) begonnen, nachdem die isländische Gesundheitsbehörde drei Fälle von Patienten signalisiert hat, die an Selbstmord oder Selbstverstümmelung denken. Der EMA-Sicherheitsausschuss untersucht diese von der isländischen Arzneimittelbehörde gemeldeten unerwünschten Ereignisse genauer. Darunter sind zwei Fälle von Selbstmordgedanken bei Patienten, die Ozempic (Semaglutid) einnahmen. Ein weiterer Fall betraf einen Patienten, der Saxenda (Liraglutid) einnahm, ein früheres Medikament weniger wirksames Medikament zur Gewichtsreduktion. Interessanterweise werden Suizidgedanken bisher in den EU-Produktinformationen für beide Medikamente nicht als Nebenwirkung aufgeführt.

In den Vereinigten Staaten wird jedoch in den Verschreibungsanweisungen für Wegovy (Semaglutid) empfohlen, dass Patienten auf Selbstmordgedanken oder Selbstmordverhalten überwacht werden. Laut dem öffentlichen Dashboard des Adverse Event Reporting System (FAERS) der U.S. Food and Drug Administration (FDA) gab es seit 2018 mindestens 60 Berichte über Suizidgedanken von Patienten oder von deren Gesundheitsdienstleistern in Fällen im Zusammenhang

Anaphylaxie. Potenziell tödlich, wenn die Veranlagungen (genetisch und phänotypisch) vorhanden sind.

mit Semaglutid-Arzneimitteln. Anscheinend hat FAERS seit 2010 auch mindestens 70 solcher Berichte von Anwendern von Liraglutid oder ihren Gesundheitsdienstleistern erhalten. Dies kann darauf hindeuten, dass Medikamente, die auf den GLP-1-Rezeptor wirken, zumindest bei einigen Patienten Selbstmordgedanken auslösen können. Interessanterweise und in gewissem Maße umstritten an sich ist die Aussage der FDA, dass sie die Sicherheit von Arzneimitteln während ihres gesamten Lebenszyklus überwacht. Die klinischen Studien zu Wegovy (Semaglutid) deuteten nicht auf ein erhöhtes Risiko für suizidales Verhalten hin, doch das Etikett des Medikaments enthalte eine Warnung vor suizidalem Verhalten und Selbstmordgedanken aufgrund der mit anderen Medikamenten zur Gewichtskontrolle verbundenen Risiken, so die Aufsichtsbehörde. Und in ihrer klinischen Studie schlossen die Hersteller von Wegovy (Semaglutid) ausdrücklich Menschen mit einer Vorgeschichte von psychiatrischen Störungen oder kürzlichem Selbstmordverhalten aus.

Obwohl die isländische Aufsichtsbehörde nur drei Fälle gemeldet hat, ist das Thema Selbstmordgedanken im Zusammenhang mit Medikamenten zur Gewichtsreduktion heikel und hat frühere Versuche der Pharmaindustrie, lukrative Medikamente zur Gewichtsreduktion zu entwickeln, behindert. Die aktuellen Ereignisse rund um Semaglutid verdeutlichen, dass es an der Zeit ist, genetische Hintergrunddaten von Patienten in die Pharmakovigilanz-Berichterstattung einzubeziehen, wodurch das völlig neue und überfällige Konzept der „Pharmacogenovigilance“ entsteht und endlich umgesetzt wird. Ziel der Pharmakogenovigilance ist es, patientenbezogene pharmakogenomische Daten in eine Pharmakovigilanz-Berichterstattung zu integrieren. Die Tatsache, dass Gene eine entscheidende Rolle bei der Variabilität der Reaktion auf Medikamente spielen, macht pharmakogenomische Daten im Zusammenhang mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) von entscheidender Bedeutung. Genetische Variationen haben bei vielen Patienten einen erheblichen Einfluss auf die Arzneimittelwirkung (beabsichtigt oder unbeabsichtigt (d. h. nachteilig)) und machen einen Teil der Patienten manchmal für unvorhersehbare, manchmal sogar tödliche UAW prädisponiert, die bei der großen Mehrheit der Patienten nicht auftreten. Im Zeitalter der Präzisions- und der Personalisierten- Medizin könnte die Pharmakogenetik einen saubereren Weg zur individualisierten Verwendung von Arzneimitteln bieten und unter anderem Arzneimittelsicherheits- und Wirksamkeits-Studien sicherer und effektiver machen, wenn genetische Polymorphisms berücksichtigt werden.

Um die Frage aus der Überschrift dieses Blogartikels zu beantworten: Nein, leider gibt es noch kein lebendiges Pharmakogenovigilance-Konzept für Semaglutid-Medikamente oder andere Medikamente. Noch nicht.

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Professor in Pharmakologie und Toxikologie. Experte in theragenomischer und personalisierter Medizin und individualisierter Arzneimittelsicherheit. Experte in Pharmako- und Toxiko-Genetik. Experte in der klinischen Sicherheit von Arzneimitteln, Chemikalien, Umweltschadstoffen und Nahrungsinhaltsstoffen.

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