Der sechste Sinn: Sind da Gene dahinter?

Der sechste Sinn: Sind da Gene dahinter?

Last Updated on December 14, 2022 by Joseph Gut – thasso

 

Wo im Raum befinden wir uns gerade?

11. Dezember 2022 – Wir alle kennen die fünf Sinne, mit denen wir unsere Umgebung wahrnehmen können: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten. Ebenso wichtig, aber viel weniger bekannt ist der sogenannte Sechste Sinn. Sechster Sinn steht für außersinnliche Wahrnehmung oder Fähigkeit zur Aufnahme von Informationen, die nicht durch die oben erwähnten anerkannten physischen Sinne gewonnen, sondern mit dem Verstand wahrgenommen werden.

Um koordinierte Bewegungen auszuführen, sind wir daher auf spezielle sensorische Neuronen in unseren Muskeln und Gelenken angewiesen. Ohne sie wüsste das Gehirn nicht, was der Rest unseres Körpers tut oder wo wir uns im Raum befinden, was manchmal eine wichtige Information sein kann, wie zum Beispiel für Athleten in Wettkämpfen auf höchstem Niveau. Wie einige neuere Studien (im Überblick in einer speziellen Datenbank aufgeführt) andeuten, wird angenommen, dass die beteiligten Schaltkreise und Bahnen, die diesen besonderen Sinn ausmachen, der auch als Propriozeption bekannt ist, einige biologische Mechanismen mit dem Altern, der Kognition, der Gewöhnung, der Innervation, der Sensibilisierung, der Sensorik teilen. Wahrnehmung, sensorische Verarbeitung und räumliche visuelle Wahrnehmung, um nur einige zu nennen. In ähnlicher Weise wurde angenommen, dass eine ganze Reihe von Genen eine Rolle bei der Propriozeption spielen, wie ACLY, BDNF, CARD16, CAT, CRAT, FLT4, GLYAT, GRIP und viele andere mehr. In den meisten Fällen blieb jedoch unklar, wie genau diese Gene mit dem Phänomen “Sechster Sinn” zusammenhängen würden. Eine wichtige neue Studie hat nun anhand eines Versuchsmodells an Zwillingen gezeigt, dass es eine Vererbbarkeit der Propriozeption gibt und dass genetische und Umweltfaktoren zu diesem Komplex beitragen und deren Rollen

Unsere Sinne berühren

effektiv entwirrt und getrennt werden können. Die Studie ergab, dass die Propriozeption, ausgedrückt als Bewegungssinn, Positionssinn und Kraftsinn, im Wesentlichen vererbbar ist, und es ist denkbar, dass dies Auswirkungen auf das motorische Lernen und die motorische Kontrolle, die neurale Entwicklung und die Neurorehabilitation haben kann.

Insgesamt ist es der sechste Sinn (oder Propriozeption), der es dem zentralen Nervensystem ermöglicht, die richtigen Signale über Motoneuronen an die Muskeln zu senden, damit wir eine bestimmte Bewegung ausführen und uns im Raum orientieren können. Dieser Sinn ist völlig unbewusst und verhindert, dass zumindest einige von uns, im Dunkeln umfallen, ermöglicht es uns, morgens mit geschlossenen Augen eine Tasse Kaffee zum Mund zu führen, oder vom Schwebebalken abzuspringen und nach einem hohen Doppelsalto wieder sicher auf diesem zu landen. Aber scheinbar ist das noch nicht alles: Menschen ohne Propriozeption können überhaupt keine koordinierten Bewegungen ausführen.

Aus diesem Grund ist die Arbeit des Forscherteams aus Deutschland, das kürzlich in Nature Communications seine Erkenntnisse darüber veröffentlicht hat, wie molekulare Marker Informationen von unseren Muskeln und Gelenken über unsere Bewegungen, unsere Körperhaltung und unsere Position im Raum sammeln und diese dann an unser zentrales Nervensystem  weitergeben  so wichtig. Die Forscher beschreiben die molekularen Marker der an diesem „sechsten Sinn“ beteiligten Zellen. Die Ergebnisse sollen den Forschern helfen, besser zu verstehen, wie propriozeptive sensorische Neuronen (pSN) funktionieren.

Präzise Verbindungen sind entscheidend

Die pSN-Zellkörper befinden sich in den Hinterwurzelganglien des Rückenmarks. Sie sind über lange Nervenfasern mit den Muskelspindeln und Golgi-Sehnenorganen verbunden, die ständig Dehnungen und Spannungen in jedem Muskel des Körpers registrieren.  Die pSN senden diese Informationen an das zentrale Nervensystem, wo sie verwendet werden, um die Aktivität der Motoneuronen zu steuern, damit wir Bewegungen ausführen können. Allerdings war bisher kaum bekannt, welche molekularen Programme diese präzisen Verknüpfungen ermöglichen und den muskelspezifischen pSN ihre einzigartige Identität verleihen. Daher suchte das Forschungsteam in einem Versuchsdesign mit Mäusen gezielt nach molekularen Markern, die die pSN für die Bauch-, Rücken- und Gliedmaßenmuskulatur differenzieren.

Anleitung für werdende Nervenfasern
Einige Gene beginnen, ihre geheimen Rollen zu enthüllen, welche sie beim Sechsten Sinn spielen.

Mittels Einzelzellsequenzierung untersuchte das Team, welche Gene im pSN der Bauch-, Rücken- und Beinmuskulatur abgelesen und in RNA übersetzt werden. Sie fanden charakteristische Gene für die mit jeder Muskelgruppe verbundenen pSN. Sie zeigten auch, dass diese Gene bereits im Embryonalstadium aktiv sind und noch mindestens eine Weile nach der Geburt aktiv bleiben. Das kann bedeuten, dass es feste genetische Programme gibt, die entscheiden, ob ein Propriozeptor die Bauch-, Rücken- oder Gliedmaßenmuskulatur innerviert.

Das Team identifizierte dabei mehrere Gene für Ephrine und ihre deren Rezeptoren, die daran beteiligt sind, entstehende Nervenfasern während der Entwicklung des Nervensystems zu ihrem Ziel zu leiten. Das Team fand heraus, dass die Verbindungen zwischen den Propriozeptoren und den hinteren Beinmuskeln bei Mäusen, die kein Ephrin-A5 produzieren können, beeinträchtigt waren. Sowohl Ephrine als auch Ephrin (Eph)-Rezeptoren sind membrangebundene Proteine, die direkte Zell-Zell-Wechselwirkungen für den Eph-Rezeptor zu dessen Aktivierung erfordern. Die Eph/Ephrin-Signalübertragung ist an der Regulierung einer Vielzahl von Prozessen beteiligt, die für die Embryonalentwicklung entscheidend sind, einschließlich Axonführung, Bildung von Gewebegrenzen, Zellmigration und Segmentierung. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Eph/Ephrin-Signalgebung eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung mehrerer Prozesse im Erwachsenenalter spielt, einschließlich Langzeitpotenzierung, Angiogenese und Stammzelldifferenzierung und Krebs. Es wäre phantastisch, die Rolle genetischer (allelischer) Varianten von Ephrinen und Rezeptoren bei der Entwicklung und den interindividuellen Unterschieden im sechsten Sinn genauer zu kennen.

Sehen Sie hier eine Sequenz zum Thema “Sechster Sinn“, ein noch nicht leicht zu fassendes Thema, mit oder ohne Gene dahinter:

 

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Professor in Pharmakologie und Toxikologie. Experte in theragenomischer und personalisierter Medizin und individualisierter Arzneimittelsicherheit. Experte in Pharmako- und Toxiko-Genetik. Experte in der klinischen Sicherheit von Arzneimitteln, Chemikalien, Umweltschadstoffen und Nahrungsinhaltsstoffen.

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