Unbekannt oder ein Tabu über das man nicht spricht: Das Post-Finasterid Syndrom

Unbekannt oder ein Tabu über das man nicht spricht: Das Post-Finasterid Syndrom

Last Updated on May 19, 2018 by Joseph Gut – thasso

13. Novemberr 2016 – Das Post-Finasterid Syndrom (PFS) beschreibt einen von Ärzten, Patienten und Medien verwendeten Begriff für einen Symptomkomplex mit anhaltenden sexuellen, neurologischen, mentalen und körperlichen Nebenwirkungen bei Patienten, die glatze-iiFinasterid, einen 5-alpha-Reduktase-Hemmer zur Behandlung von Haarausfall (androgene Alopezie) unter dem Markennamen Propecia oder Generika) oder einer vergrößerten Prostata (BPH) (unter dem Markenname Proscar oder Generika) eingenommen haben.

Diese vermutlich eher seltene Störung kann nach Absetzen des Medikaments noch Monate bis Jahre andauern; in vielen Fällen bleibt sie permanent bestehen, wobei eine Einnahmedauer von nur 10 Tagen, oder bis zu 11 Jahren zu diesem Syndrom führen kann.

Ursachen

Die Ursache des sogenannten PFS ist nicht genau bekannt. Finasterid hemmt die Umwandlung von Testosteron zu DHT, jedoch ändert es auch noch die Testosteron-, LH– und FSH-Spiegel. Die Biosynthese von DHT und verschiedener Neurosteroide, wie glatze-iiiAllopregnanolone (ALLO) und Tetrahydrodeoxycorticosterone (THDOC), sind abhängig von bekannten Isoformen der 5α-Reduktase. Sie sind positive allosterische Modulatoren der GABAA-Rezeptoren, welche den gleichen Wirkungsort von euphorisierenden und angstlösenden Medikamenten, wie z. B. Benzodiazepine, besitzen. Da gezeigt werden konnte, dass Finasterid ihre Biosynthese verhindert, und Patienten mit dem PFS erniedrigte oder erhöhte Werte einiger Neurosteroide aufweisen, ist dieser Effekt eine der möglichen Ursache für die emotionalen und sexuellen Nebenwirkungen, die jedoch einige Symptome, wie Muskelschwund, den Verlust von Körperbehaarung und die anhaltenden Nebenwirkungen auch lange nach dem Absetzen, nicht vollständig erklärt. Da viele Patienten normale bis hohe Testosteronwerte und normale bis niedrige Östrogenwerte haben, jedoch das klinische Bild eines Hypogonadismus aufweisen, lässt vermuten, dass hier eine Art der Androgenresistenz vorliegt.

Patienten mit dem PFS zeigten im fMRI eine erhöhte Aktivität des neuronalen Netzes für sexuelle Erregung und eine verminderte Aktivität der Gehirnregionen, die mit der Reaktion auf erotische Reize in Verbindung gebracht werden. Diese widersprüchlichen Befunde können auf eine neurologische Veränderung  hindeuten. Des Weiteren wurden weitere abnormale Aktivitäten in bestimmten Gehirnregionen identifiziert, die mit denen einer Major Depression übereinstimmen.

Symptome

Eines der Merkmale des Post-Finasterid Syndromes (PFS) ist das Vorliegen einer ungewöhnlichen Vielzahl von Symptomen welche Betroffene einzeln oder in Kombination wahrnehmen und folgendermassen unter dem PFS auftreten: verminderte oder nicht vorhandene Libido; keine oder verminderte Reaktion auf sexuelle Reize; Impotenz; Schwierigkeiten, eine Erektion oder sexuelle Erregung hervorzurufen oder aufrechtzuerhalten; schwacher, verspäteter oder fehlender Orgasmus (Anorgasmie); Orgasmus ist weniger oder überhaupt nicht befriedigend (ejakulatorische Anhedonie); verminderte Empfindlichkeit des Penis; genitale Gefühlstaubheit; vermindertes Sperma-Volumen; PenisschrumpfungPeyronie-Krankheit (Verkrümmun des Penis); Hodenschmerzen; Hodenschrumpfung und Taubheit des Hodensacks; Gynäkomastie; Chronische Müdigkeit/Erschöpfung, Lustlosigkeit; Muskelatrophie (Muskelschwäche, Muskelzuckungen); Trockene Haut; Gedächtnisstörungen; Verlangsamte Denkprozesse; Starke Depressionen mit SelbstmordgedankenAngststörungen und Panikattacken; Emotionale Abstumpfung (Anhedonie); Schlafstörungen; Kopfschmerzen; Starkes Schwitzen; Schmerzen in der Brust. Häufig verschlimmert sich die Symptomatik nach dem Absetzen der Finasterid-Therapie.

Therapie

Zurzeit ist nichts über eine Therapie des PFS bekannt, da die genaue Ursache noch unklar ist. Einige betroffene Patienten reagieren wohl kaum bis gar nicht, oder teilweise sogar negativ auf die Substitution mit verschiedenen Androgenderivaten.

Öffentliches Interesse

Aufgrund des hohen Leidensdrucks der Patienten und wachsender Anzahl von Klagen in den USA, gegen den Hersteller, wuchs dort auch das Interesse der Medien an diesem Thema. Einige Betroffene und Eltern  wagten sich an die Öffentlichkeit und machten unter Anderem durch einen Hungerstreik vor der Firmenzentrale des Herstellers auf sich aufmerksam. Wissenschaftler und Ärzte warnen über die bestehenden Risiken in der Öffentlichkeit oder publizieren zu diesem Thema. Ebenso wurde Anfang 2015 das Post-Finasterid Syndrom in das Informations-Center für genetische und seltene Erkrankungen des U.S. National Institutes of Health aufgenommen, und im März 2016 nahm Neuseeland das Post-Finasterid Syndrom in seinen MedSafe-Bereich der New Zealand Medicines and Medical Devices and Safety Authorithy auf. Im Gegensatz dazu ist das PFS im deutschsprechenden  zentralen Europa praktisch unbekannt.

Die Post-Finasteride Syndrome Foundation

Im August 2012  gründete sich die Post-Finasteride Syndrome Foundation (PFS Foundation) mit dem Sitz in den USA. Ihre Ziele sind: Aufklärung unter Wissenschaftlern, Medizinern, Gesundheitsorganisationen und in den Medien über die Existenz und die Notwendigkeit für die Erforschung des PFS, Grundlagenforschung und die Suche nach einer potenziell wirksamen Therapie. Sehen sie hier die  Homepage der Post-Finasteride Syndrome Foundation

Neben gravierender und langanhaltender erektiler Dysfunktion und schwerer Depression ist die Thematik Selbstmord ein gravierendes Problem, welches als Neben- oder Spätwirkung von Finestarid-Behandlung auftreten kann. Sehen sie dazu das folgende Video (leider in französischer Sprache, jedoch leicht verständlich durch die Bilder, welche für sich sprechen):

 

Im weiteren gibt es Foren, in denen Aspekte von Finasterid vorab von Patienten besprochen werden, wie z.B. Alopezie.de, (in Deutsch) oder Hairlosstalk (in English), um nur ein paar zu nennen.

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Professor in Pharmakologie und Toxikologie. Experte in theragenomischer und personalisierter Medizin und individualisierter Arzneimittelsicherheit. Experte in Pharmako- und Toxiko-Genetik. Experte in der klinischen Sicherheit von Arzneimitteln, Chemikalien, Umweltschadstoffen und Nahrungsinhaltsstoffen.

2 Comments on “Unbekannt oder ein Tabu über das man nicht spricht: Das Post-Finasterid Syndrom

  1. Finasterid (Propecia)

    Sehen sie da diese Mitteilung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaf (AktÄ: Drug Safety Mail 2018-22 vom 17. Mai 2018 – Information zu Finasterid: Warnhinweis zu Depression

    Anlässlich einer Anfrage ärztlicher Kollegen möchten wir darauf hinweisen, dass 2017 ein neuer Warnhinweis in die Produktinformation von Finasterid-haltigen Arzneimitteln aufgenommen wurde: Es wird angegeben, dass Depression und Suizidgedanken unter der Behandlung auftreten können.

    Hintergrund:

    Finasterid ist in der 1-mg-Dosierung bei Frühstadien der androgenetischen Alopezie bei Männern zugelassen. In der 5-mg-Dosierung wird es angewendet zur Behandlung der benignen Prostatahyperplasie. Es hemmt die Umwandlung von Testosteron in das Androgen Dihydrotestosteron durch Hemmung des Enzyms 5α-Reduktase Typ II, welches diese Reaktion vermittelt.

    Nach einem Bewertungsverfahren, bei dem der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) einbezogen war, wurde die Produktinformation geändert:

    Für Finasterid-haltige Arzneimittel in der 1-mg-Dosierung wurde als neue Nebenwirkung „Depression“ aufgenommen (In der 5-mg-Dosierung war Depression bereits als Nebenwirkung beschrieben.).

    Für alle Finasterid-haltigen Arzneimittel wurde ein neuer Warnhinweis zu Stimmungsänderungen einschließlich depressiver Verstimmung, Depression und Suizidgedanken in die Produktinformation aufgenommen. Patienten sollten hinsichtlich psychiatrischer Symptome überwacht werden. Wenn solche Symptome auftreten, soll die Behandlung mit Finasterid 1 mg abgebrochen und medizinischer Rat eingeholt werden.

    Sehen sie die hier: https://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/DSM/Archiv/2018-22.html