Sterblichkeit und Mikrostaub: Jedes Mikrogramm ist zu viel

Sterblichkeit und Mikrostaub: Jedes Mikrogramm ist zu viel

Last Updated on July 8, 2017 by Joseph Gut – thasso

7. Juli 2017 – Eine soeben im New England Journal of Medicine (NEJM)  veröffentlichte grosse Studie aus den USA zeigt auf, dass auch bei niedrigen Feinstaubwerten die Sterblichkeit steigen kann.

Eine Belastung durch Feinstaub geht auch unterhalb der in den USA gesetzlich gültigen Grenzwerte mit einer erhöhten Sterblichkeit einher, zumindest bei älteren und/oder dafür besonders vulnerablen Personen. Dies geht aus der Studie hervor  in welcher die Daten von mehr als 60 Millionen Menschen analysiert wurden. Wie die Forscher zeigen konnten, stieg die Gesamtsterblichkeit in der Untersuchung mit jeder Zunahme von 10 µg Feinstaub der Staubfraktion PM 2,5 pro Kubikmeter Luft um 7,3% an. Der als PM 2,5 bezeichnete Feinstaub enthält mindestens zur Hälfte Teilchen mit einem Durchmesser von maximal 2,5 µm. Partikel dieser Größe können in die Lungenbläschen gelangen und sind mit bloßem Auge nicht sichtbar.

Interessant war bei dieser Studie vor allem die Tatsache, dass die erhöhte Sterblichkeit auch bei Werten unterhalb der in den USA geltenden Grenzwerten zu beobachten war. Bei der Analyse von Probandenjahren mit einer Feinstaub-Belastung unterhalb des festgelegten Grenzwertes von im Jahresdurchschnitt weniger als 12 µg Feinstaub der Partikelgröße PM 2,5 pro Kubikmeter Luft, stieg die Gesamtsterblichkeit pro 10 µg sogar um 13,6% an.

Interessant ist zu wissen, dass in Europa seit 2008 ein Zielwert (Grenzwert) für PM 2,5 gilt der mehr als das Doppelte über dem US-Grenzwert liegt, nämlich von 25 µg/m3 im Jahresmittel. Diese Grenze soll seit dem 1. Januar 2010 eingehalten werden, und erst seit 1. Januar 2015 verbindlich. Der Wert soll ab dem 1. Januar 2020 weiter gesenkt werden. Dann dürfen die PM 2,5-Jahresmittelwerte den Wert von 20 µg/m3 nicht mehr überschreiten. Unabhängig davon gelten seit dem 1. Januar 2005 europaweit Grenzwerte für die Feinstaub-Fraktion PM 10, also für Staub mit einer Partikelgröße von weniger als 10 µm. Der Tagesgrenzwert beträgt hier 50 µg/m3 und darf nicht öfter als 35-mal im Jahr überschritten werden. Der zulässige Jahresmittelwert beträgt laut EU 40 µg/m3. Insgesamt sind offenbar Europäer durch geltende Feinstaub-Grenzwerte viel schlechter vor entsprechenden Erkrankungen geschützt als Individuen in den USA.

Wie aus der Studie hervorgeht waren besonders Männer, Afro-Amerikaner  und Menschen, die Medicaid-Leistungen bezogen, gefährdet. Diese (Sub)-Gruppen von Individuen waren gleichzeitig häufiger als andere Gruppen von Individuen erhöhten Feinstaub-Mengen ausgesetzt. Während dem die Studie, aufgrund der großen Probandenzahl auch solche (kleinen) Effekte erkennen konnte, welche auf Faktoren aus der Umwelt (z.B., Art der Arbeit, oder Sozio-Ökonomisches Umfeld) ) beruhen, lässt die Studie leider offen, wie weit genetische Prädispositionen und/oder vor-existierende oder erworbene Krankheiten, wie z.B. Asthma oder COPD, die beobachtete Sterblichkeit unter dem Einfluss von Feinstaub beeinflussen können. Es ist sehr gut vorstellbar und auch höchst wahrscheinlich, dass Individuen mit entsprechenden genetischen Prädispositionen (wie z.B. “risk loci” für Asthma und/oder COPD) erheblich erhöhte persönliche Risiken für Feinsteaub-induzierte Sterblichkeit tragen. Weitere Studien werden dies belegen müssen.

Eine Bemerkung zum Schluss: Das momentane allgemeine politische Klima ist, wenigstens in einigen Regionen der Welt, leider nicht sehr förderlich, um entsprechende Studien, welche (überlebens)wichtig für betroffene Individuen sein können, durchzuführen. Die angekündigte Massnahme des US-Präsidenten D. Trump, das Budget der US-Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) um rund ein Viertel zu kürzen, setzt in diesem Zusammenhang ein sehr ungünstiges Zeichen.

Dies ist auch Thema eines NEJM Editorials der Internistin Dr. Rebecca E. Berger vom Massachusetts General Hospital in Boston. Seit den Siebzigerjahren seien Hunderte von Artikeln erschienen, die einen Zusammenhang zwischen Feinstaub und Erkrankungen wie Asthma oder ischämischer Herzkrankheit nachgewiesen hätten, schreiben sie und ihre Kollegen. Die zuletzt im Jahr 2012 festgelegten US-Grenzwerte zielten darauf ab, insbesondere Kinder, ältere Menschen, und Patienten mit kardiopulmonalen Erkrankungen zu schützen. Die neue Studie deute nun daraufhin, dass die jetzigen Grenzwerte hierfür womöglich gar nicht ausreichten. Und trotz überzeugender Daten schlage Herr Trump in seiner Umweltpolitik sogar einen entgegengesetzten Kurs ein, und lockere die Umweltauflagen für die Kohleindustrie, einem der grössten Verursacher von Feinstaub weltweit, in in mehreren Punkten. Für die Gesundheit der Bevölkerung hätte die daraus resultierende (neue) Luftverschmutzung verheerende Konsequenzen. Dieser Ansicht kann man sich nur anschliessen.

 

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Professor in Pharmakologie und Toxikologie. Experte in theragenomischer und personalisierter Medizin und individualisierter Arzneimittelsicherheit. Experte in Pharmako- und Toxiko-Genetik. Experte in der klinischen Sicherheit von Arzneimitteln, Chemikalien, Umweltschadstoffen und Nahrungsinhaltsstoffen.