Sind piRNAs die genetische Ursache der männlichen Unfruchtbarkeit?

Sind piRNAs die genetische Ursache der männlichen Unfruchtbarkeit?

Last Updated on November 18, 2024 by Joseph Gut – thasso

16. November 2024 – Bislang unterschätzt: Forschende identifizieren piRNAs als mögliche genetische Ursachen für die Unfruchtbarkeit von Männern.  piRNAs sind eine, für die allgemeinen Patienten-Populationen noch eher unbekannte, im Jahr 2006 entdeckte Klasse von Ribonukleinsäuren (RNAs), die etwas länger als miRNAs und siRNAs sind (26–31 Nukleotide). Diese RNAs binden, wie durch den Namen impliziert, an PIWI-Proteine und sind hauptsächlich in Geschlechtszellen (“Germline” in Englisch) zu finden, wo sie essentiell für die Spermatogenese sind. Sie sind unter anderem bei der Genstilllegung von Retrotransposons beteiligt.

 Viele Paare bleiben ungewollt kinderlos. Dass die Ursache dafür meist bei der Frau liegt, ist eine weit verbreitete und sehr fafsche Annahme. Inzwischen weiß man aus der Medizin, dass ungefähr gleich häufig wie bei Frauen Unfruchtbarkeit des Mannes zu einem unerfüllten Kinderwunsch führt. Neue Forschung zeigt nun zunehmend, dass die genetische Konstellation des betroffenen Mannes, neben all den anderen vermuteteten Faktoren aus Ernährung und der Umwelt, eine wichtige Rolle spielen kann. Dazu liefern die Arbeitsgruppen um Dr. Birgit Stallmeyer und Prof. Frank Tüttelmann vom Institut für Reproduktionsgenetik der Universität Münster jetzt bahnbrechende neue Erkenntnisse. Ihre in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlichte Studie zeigt erstmals, dass Störungen im sogenannten piRNA-Signalweg eine bislang unterschätzte Ursache für eine fehlerhafte Spermienbildung darstellen.

piRNAs sind entscheidend für die Stilllegung von Transposons, die Keimzellreifung und die Fruchtbarkeit. In der Studie berichten die Forscher über die genetische Landschaft der piRNA-Dysfunktion beim Menschen und präsentieren 39 unfruchtbare Männer, die biallelische Varianten in 14 verschiedenen piRNA-Signalweg-Genen tragen, darunter PIWIL1, GTSF1, GPAT2, MAEL, TDRD1 und DDX4. Bei einigen betroffenen Männern unterscheiden sich die Hodenphänotypen und reichen vom vollständigen Verlust der Keimzellen bis zur Produktion einiger morphologisch abnormaler Spermien. Im Hodengewebe von Variantenträgern wurde eine reduzierte Anzahl von Pachytän-piRNAs nachgewiesen, was auf eine beeinträchtigte piRNA-Biogenese hinweist. Darüber hinaus verbindet die LINE1-Expression in Spermatogonien die beeinträchtigte piRNA-Biogenese mit der Stilllegung von Transposons und dient zur Klassifizierung von Varianten als funktionell relevant. Diese Ergebnisse weisen den gestörten piRNA-Stoffwechselweg als Hauptursache für die Spermatogenese beim Menschen aus und geben Aufschluss über die Stilllegung von Transposons in männlichen Keimzellen des Menschen.

Während  der piRNA-Signalweg bislang hauptsächlich bei Mäusen beschrieben untersucht wurde, fehlten bisher die entsprechenden Daten zum Menschen. Die Forscher um Dr. Stallmeyer änderten dies nun grundlegend indem die Arbeitsgruppe die DNA von über 2’000 rekrutierten unfruchtbaren Männern auf Varianten in Genen des piRNA-Signalwegs untersuchte und dabei in 39 Männern mit Veränderungen in insgesamt 14 piRNA-Genen fanden. Die meisten dieser Varianten wurden erstmals beschrieben. Die  Analysen der Forschenden zeigen, dass eine fehlerhafte Regulation von piRNAs deutlich häufiger als bislang angenommen ein Grund für männliche Unfruchtbarkeit ist. Außerdem fiel auf, dass sich die Auswirkungen der Genvarianten auf die Spermienbildung bei den Männern und bei den entsprechenden vielbeforschten Mausmodellen grundlegend unterscheiden. Das heißt: Eine direkte Übertragung der bisherigen Erkenntnisse aus Mausmodellen auf den Menschen ist im Falle der piRNA verursachten Unfruchtbarkeit nicht generell möglich.

Bei einigen Patienten mit piRNA-Veränderung konnten mehr Transposons festgestellt werden. Das heist: Eine höhere Zahl der springenden Gene in den Keimzellen führt zu einer Instabilität des Genoms und dadurch zu vielfältigen Störungen der Spermienbildung. Diese reichen von einer veränderten Form bis hin zum kompletten Fehlen von Spermien.

In der medizinischen Praxis den Patienten betreffend heissen diese Resultate insgesamt, dass sich zwar die neu gefundenen Störungen des piRNA-Signalwegs derzeit noch nicht heilen lassen, doch kann dank der Erkenntnisse in Zukunft bei mehr Männern die richtige Diagnose gestellt werden;  für viele Betroffene nach jahrelanger Ungewissheit eine Erleichterung. Durch weitere Untersuchungen möchten die Forschenden feststellen, bei welchen Patienten mittels einer Operation mit Entnahme von Gewebe aus dem Hoden erfolgreich Spermien gewonnen und eine medizinisch-assistierte Reproduktion, also eine künstliche Befruchtung, durchgeführt werden kann. Umgekehrt soll untersucht, bei welchen Patienten eine solche Operation keinen Nutzen bringt, da sie an einem Totalausfall des piRNA-Weges leiden. Dadurch wird eine zielgerichtete Behandlung ermöglicht

Sehen sie hier eine Sequenz zum Thema (sogar in Schweizerdeutsch ein Thema):

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Professor in Pharmakologie und Toxikologie. Experte in theragenomischer und personalisierter Medizin und individualisierter Arzneimittelsicherheit. Experte in Pharmako- und Toxiko-Genetik. Experte in der klinischen Sicherheit von Arzneimitteln, Chemikalien, Umweltschadstoffen und Nahrungsinhaltsstoffen.

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