Sind Konsumenten bereit für genetische Tests?

Sind Konsumenten bereit für genetische Tests?

Last Updated on April 2, 2018 by Joseph Gut – thasso

2. April 2018 – Sind Konsumenten bereit für Gentests, welche sie bei entsprechenden Firmen and Labors durchführen lassen können und bei welchen sie ihr gesamtes Genom analysiert erhalten können, wenn sie das denn wünschen? Das war die spannende und zentrale Frage, welche in einem kürzlichen Artikel  von Matt Smith in der englischen Ausgabe von Medscape gestellt wurde.

Da sich bei thasso und thasso post alles um theragenomische und personalisierte Medizin und individualisierte Arzneimittelsicherheit dreht (d.h.  unter Verwendung aller verfügbaren Kenntnisse über genetische Outfits  jeden einzelnen Patienten / Patientin eine gut durchdachte und erfolgreiche Therapieauswahl unter Vermeidung ernsthafter und lebensbedrohlicher unerwünschter Therapieeffekte zu erreichen) haben wir diesen Artikel für unsere deutsch-sprechenden Leser und Leserinnen aufbereitet und präsentieren hier einige der entscheidenden grundlegenden Überlegungen.

Die Frage stellt sich, ob Konsumenten (d.h. sowohl Patienten mit gezielter Fragestellung auf Grund einer Erkrankung wie auch “gesunde” Individuen welche einfach so ihr Genom analysieren lassen möchten) bereit sind für Daten, welche aus diesen DTCGT Verfahren (aus dem Englischen stammend und sich von Direct-To-Consumer-Genetic-Testing ableitend) stammen? Neben den Fragestellung welche einzelne Patienten / Individuen betreffen, werden viel weitergehende Aspekte sichtbar wie z.B.  a) ist die Gesellschaft als Ganzes bereit für DTCGT , b) wer besitzt die persönlichen Informationen, die durch DTCGT gewonnen wurden, c) wo sind die Grenzen, wo gewinnsüchtige Geschäftsleute persönliche genetische Informationen anderer Personen zu ihrem geschäftlichen Vorteil und offen und in einer diskriminierenden Weise gegen sie als Patient nutzen werden und wollen, und d) was ist die aktuelle und zukünftige Haltung der Gesetzgebung in diesen Fragen?

Mindestens in den USA haben Zulassungsbehörden (American Food & Drug Administration (FDA)) begonnen, DTCGT-Test zuzulassen, welche es Konsumenten erlauben, genetische Informationen, entweder zu lebensbedrohenden Krankheiten, oder das ganze Genom betreffend, zu erhalten.  Ob mit diesen Verfahren wertvolle neue Erkenntnisse für jeden einzelnen Patienten gewonnen werden können oder ob damit eher eine medizinische Pandora-Box geöffnet wurde, wird sehr davon abhängen, was der Konsument (d.h., der möglicherweise momentane oder künftige Patient), die Gesellschaft, oder Big Business, mit dieser Information anstellen werden.

Wir sollten uns im klaren sein darüber, dass genetische Analyse als Ganzes bereits heute eine Milliarden-schwere Industrie ist, welche nach Schätzungen von Experten in der nächsten Dekade bis 10 Milliarden wachsen wird.  Dabei ist die Durchführung genetischer Analysen nur eine Seite; die andere Seite ist die sinnvolle Interpretation der Ergebnisse für jeden einzelnen Patienten in der Umsetzung der Daten für eine massgeschneiderte, erfolgreiche Therapie. Da ist der Patient, der Konsument, oder in vielen Fällen selbst der behandelnde Arzt, schlichtweg überfordert.

Diese Szenario bringt daher eine neue, wichtige, Spezialität im Gesundheitswesen hervor: Genetische Beratung. Genetische Analysen (Test) sind eine komplizierte Angelegenheit und die von Firmen wie 23andMe, welche solche Test durchführen, gelieferte Information oftmals nicht genügend hilfreich, nicht vollständig, oder für einzelne Patienten nicht zutreffend. Ein schlagendes Beispiel dazu ist der BRCA genetische Test von 23andMe, (ein DTCGT)-Test) welcher in den USA von der FDA soeben zugelassen worden ist. Die drei getesteten Mutationen, welche in den Genen BRCA 1 und BRACA 2 vorkommen und ein erhöhtes Brustkrebs-Risiko darstellen, sind bei Menschen osteuropäischer jüdischer Abstammung am weitesten verbreitet, sind jedoch nicht nicht die häufigsten BRCA1 oder BRCA2 Mutationen in der allgemeinen Bevölkerung, welche alle ebenfalls ein erhöhtes Brustkrebsridiko darstellen können. Überhaupt werden mehr  als 1’000 andere Mutationen in BRCA1 und BRCA2, welche in der generellen Bevölkerung vorliegen, nicht erfasst.

Der BRCA Test ist die zweite Zulassung für das Unternehmen 23andMe, nach einer Entscheidung der FDA vom April 2017 einen ersten DTCGT Test zuzulassen, welcher es Individuen erlaubt, Informationen über Gene und deren Mutationen zu erlangen, von denen man glaubt, dass diese in der Prädisposition von Individuen für gewisse Erkrankungen spielen, darunter degenerative Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson.

Leider sind diese Test, Stand heute, nicht frei von Fehlern und können falsch positive oder falsch negative Ergebnisse liefern. Im weiteren ist für viele genetische Veränderungen (Mutationen) eines gegebenen Genes nicht klar, ob diese Mutation auch tatsächlich zu einem klinisch erkennbaren Phänotypen (d.h. Krankheit) im einzelnen betroffenen Individuum führt. In vielen Fällen ist diese Wahrscheinlichkeit nämlich (noch) nicht abschätzbar. Dies gilt auch für weitere genetische Tests, welche sich direkt an Konsumenten richten und nicht von der FDA oder anderen Zulassungsbehörden kontrolliert werden, wie Tests zur Abstammung, Gesundheits-Risiken, und Wellness (siehe z.B. die Angebote von 23andMe oder von myHeritage).

Um die DTCGT-Testergebnisse zu verstehen, sollten daher Konsumenten und “to be” Patienten mit Experten der Genetischen Beratung sprechen, und sicher auch mit ihren behandelnden Ärzten, bevor schwerwiegende klinische oder auch Life Style-Entscheidungen getroffen werden. Ebenso sollten Konsumenten und Patienten vorsichtig sein mit der Herausgabe ihrer persönlichen genetischen Testergebnisse. Es gibt wissenschaftliche, politische, und wirtschaftliche Bestrebungen welche darauf abzielen, das alle genetischen Testergebnisse eines jeden einzelnen Patienten öffentlich und für jedermann zugänglich gemacht werden sollen. Während aus wissenschaftlicher Sicht diese Bestreben Sinn machen können, um Zusammenhänge von genetischen Mutationen mit klinischen Phänotypen, sowie deren in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und Ethnien zu verstehen, wäre die von gewissen Interessengruppen angestrebte gen-basierte Risiko-Stratifizierung von Individuen für berufliche Beschäftigung oder für Ein- und Auschlusskriterien bei Versicherungsleistungen ethisch äussert fraglich.

Print Friendly, PDF & Email

Print Friendly, PDF & Email

Professor in Pharmakologie und Toxikologie. Experte in theragenomischer und personalisierter Medizin und individualisierter Arzneimittelsicherheit. Experte in Pharmako- und Toxiko-Genetik. Experte in der klinischen Sicherheit von Arzneimitteln, Chemikalien, Umweltschadstoffen und Nahrungsinhaltsstoffen.