Immunosuppression: Gefahr der Reaktivierung einer Hepatitis-B-Virus Infektion unter Pomalidomid (Imnovid) Therapie

Immunosuppression: Gefahr der Reaktivierung einer Hepatitis-B-Virus Infektion unter Pomalidomid (Imnovid) Therapie
Multiples Myelom: Betroffene Zunge

Last Updated on April 29, 2016 by Joseph Gut – thasso

29. April 2016 – Pomalidomid (Imnovid) ist in Kombination mit Dexamethason indiziert für die Behandlung des rezidivierten und refraktären multiplen Myeloms bei erwachsenen Patienten, die mindestens zwei vorausgegangene Therapien, darunter Lenalidomid (Revlimid) und Bortezomib (Velcade), erhalten haben und unter der letzten Therapie eine Progression gezeigt haben. In seltenen Fällen wurde eine Hepatitis-B-Reaktivierung nach einer Behandlung mit Pomalidomid (Imnovid) und Dexamethason berichtet (weniger als 1 in 1000 Patienten); in einigen betroffenen Patienten kam es zu akutem Leberversagen. Generell traten diese Fälle während der Therapie mit Pomalidomid (Imnovid) früh auf, d.h., in den meisten Fällen während des ersten Therapiezyklus.

Für gewöhnlich haben Patienten, die mit Pomalidomid (Imnovid) behandelt werden, bestehende Risikofaktoren für die Virus-Reaktivierung, einschließlich hohen Alters, zugrundeliegender progredienten multiplen Myelom-Erkrankung und vorausgegangener Behandlungen mit mehreren Immunsuppressiva. Die immunsuppressive Wirkung von Pomalidomid (Imnovid) in Kombination mit Dexamethason scheint das Risiko einer Virus-Reaktivierung bei diesen Patienten jedoch weiter erhöhen.

In Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat Celgene Europe Fachpersonen im Medizinbereich in Deutschland mittels Rote-Hand-Brief zu dieser wichtigen möglichen Nebenwirkung von Pomalidomid (Imnovid) dahingehend informiert, dass

  • in seltenen Fällen bei Patienten, die Pomalidomid in Kombination mit Dexamethason erhielten und sich zuvor mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) infiziert hatten, über eine Reaktivierung von Hepatitis B berichtet wurde;
  • dies in einigen Fällen zu einem akuten Leberversagen führte, was ein Absetzen von Pomalidomid (Imnovid) zur Folge hatte;
  • der HBV-Status vor Beginn der Behandlung mit Pomalidomid abzuklären ist;
  • bei Patienten, die positiv auf eine HBV-Infektion getestet wurden, ein Arzt mit Erfahrung in der Behandlung von Hepatitis B herangezogen werden sollte;
  • Vorsicht geboten ist, wenn Pomalidomid (Imnovid) in Kombination mit Dexamethason bei vorher mit HBV infizierten Patienten angewendet wird, einschließlich Patienten, die Anti-HBc-positiv, jedoch HBsAg-negativ sind;
  • und schliesslich, dass die vorher mit HBV infizierten Patienten während der gesamten Behandlung mit Pomalidomid (Imnovid)engmaschig auf Anzeichen und Symptome einer aktiven HBV-Infektion überwacht werden müssen.

Weiterhin erging die Aufforderung, Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen gemäß den national geltenden Vorgaben an Celgene GmbH, Abt. Arzneimittelsicherheit Joseph-Wild-Str. 20, 81829 München, Fax: 0800 7240 433, E-mail: drugsafety-germany@celgene.com,  Internet: www.celgene.de, oder an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), elektronisch über das Internet unter www.bfarm.de – Arzneimittel – Pharmakovigilanz – Risiken, schriftlich an die Postadresse Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3, 53175 Bonn oder per Fax: 0228 207 5207 zu melden.

(R)- und (S)-Enantiomere von Pomalidomid
(R)- und (S)-Enantiomere von Pomalidomid

Zum pharmakologischen Wirkstoff Pomalidomid ist es vielleicht gut zu wissen, dass das Molekül eine Vielzahl von pharmakologischen Mechanismen aufweist. So können entartete Zellen durch die Hemmung des Zellzyklus nicht weiter proliferieren. Dies geschieht über eine Aktivierung von p21WAF-1. Zudem führt Caspase 8-Aktivierung und Regulierung von Tumorsuppressor- und Onkogenen zur Apoptose der Myelomzellen. Außerdem wird die Angiogenese gehemmt. Im Rahmen der immunmodulatorischen Wirkung von Pomalidomid werden T-Zellen costimuliert und NK-Zellen stimuliert. Die Bildung von proimflammatorischen Zytokinen wie TNF-α und IL-6 wird gehemmt. Darüber hinaus werden weitere Wirkungen von Pomalidomid vermutet, die jedoch noch nicht abschließend erforscht sind.

Weiterhin kommt Pomalidomid (Imnovid) mit einer eher gravierenden Breite von unerwünschter Nebenwirkungen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen laut klinischen Studien Erkrankungen des Blutes und des Lymphsystems, darunter Anämie (in etwa 45% der Patienten), Neutropenie (etwa 45% der Patienten) und Thrombozytopenie (etwa 27 % der Patienten), außerdem allgemeine Beschwerden am Verabreichungsort, darunter FatiguePyrexie  und periphere Ödeme in jeweils mehr als 10% der Patienten. Ebenfalls häufig kommen Infektionen und parasitäre Erkrankungen, einschließlich Pneumonie, vor (10%). Bei etwa 12% der Patienten wurden periphere Neuropathien festgestellt und bei 3,3 % der Patienten traten venöse embolische oder thrombotische Ereignisse (VTE) ein. Zu den am häufigsten berichteten Nebenwirkungen vom Schweregrad 3 oder 4 gehören Neutropenie, Anämie, Thrombozytopenie, und Infektionen oder parasitäre Erkrankungen einschließlich Pneumonie (in etwa 9 % der Patienten).

Die Nebenwirkungen treten laut Studien tendenziell häufiger in den ersten beiden Behandlungszyklen mit Pomalidomid auf. Am 29. April 2015 hat der Hersteller zudem in einem ersten Rote-Hand-Brief bekanntgegeben, dass der Einsatz von Pomalidomid zu schweren Leberschäden, interstitiellen Lungenerkrankungen sowie Herzinsuffizienz verursachen kann.

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Professor in Pharmakologie und Toxikologie. Experte in theragenomischer und personalisierter Medizin und individualisierter Arzneimittelsicherheit. Experte in Pharmako- und Toxiko-Genetik. Experte in der klinischen Sicherheit von Arzneimitteln, Chemikalien, Umweltschadstoffen und Nahrungsinhaltsstoffen.

1 Comment on “Immunosuppression: Gefahr der Reaktivierung einer Hepatitis-B-Virus Infektion unter Pomalidomid (Imnovid) Therapie

  1. Mit einer Verspätung von fast einem Jahr gegenüber dem BfArM hat jetzt auch Swissmedic über mögliche Reaktivierungen des Hepatitis-B-Virus unter oder nach Pomalidomid (Imnovid) Behandlung mittels eines DHPC am 01.03.2017 wie folgt orientiert:

    DHPC – Imnovid® (Pomalidomid): Neuer wichtiger Hinweis – Hepatitis-B-Virus-Status vor Beginn der Behandlung mit Pomalidomid abzuklären

    Die Zulassungsinhaberin Celgene GmbH informiert in Absprache mit Swissmedic:

    Nach der Behandlung mit Pomalidomid plus Dexamethason bei Patienten mit vorangehender Hepatitis-B-Infektion wurde in seltenen Fällen über eine Reaktivierung von Hepatitis B berichtet.

    Einige dieser Fälle haben sich zu akutem Leberversagen fortentwickelt und hatten ein Absetzen von Pomalidomid zur Folge.

    Der Hepatitis-B-Virus-Status muss vor Beginn der Behandlung mit Pomalidomid abgeklärt werden.

    Bei positiv auf HBV-Infektion getesteten Patienten wird die Konsultation eines Arztes mit Erfahrung in der Behandlung von Hepatitis B empfohlen.

    Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Pomalidomid in Kombination mit Dexamethason bei zuvor mit HBV infizierten Patienten angewendet wird. Zuvor infizierte Patienten müssen während der gesamten Therapie engmaschig auf Anzeichen und Symptome einer aktiven HBV-Infektion überwacht werden.

    Detaillierte Informationen dazu können dem hier verlinkten pdf-Dokument entnommen werden:

    https://www.swissmedic.ch/marktueberwachung/00135/00157/03785/index.html?lang=de&download=NHzLpZeg7t,lnp6I0NTU042l2Z6ln1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCDd4J,e2ym162epYbg2c_JjKbNoKSn6A–