Codein und Todesfälle bei Kindern: Genetischer Polymorphismus in CYP2D6

Last Updated on November 6, 2015 by Joseph Gut – thasso

12. Oktober 2012 – Kürzlich berichtete die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA über drei Todesfälle und einen Fall einer lebensbedrohlichen Atemdepression nach Einnahme von Codein bei Kindern im Alter von 2-5 Jahren. In allen vier Fällen wurde Codein unter Beachtung der empfohlenen Dosierung zur Schmerzbehandlung eingesetzt.
In Deutschland stehen codeinhaltige Arzneimittel sowohl zur Therapie des Reizhustens (Antitussivum) als auch zur Schmerzbehandlung zur Verfügung. Zur Therapie des Reizhustens ist die Anwendung bereits ab dem 2. Lebensjahr zugelassen.

Codein ist ein natürlich vorkommendes Opiat, welches über das Enzym CYP2D6 zu Morphin abgebaut wird. Aufgrund eines genetischen Polymorphismus liegt bei einigen Menschen eine hohe Aktivität des  Enzyms CYP2D6 vor. Bei diesen sogenannten „Ultra-rapid“-Metabolisierern wird Codein sehr schnell zu Morphin umgewandelt und es werden hohe Morphinkonzentrationen im Blut der betroffenen kindlichen Patientinnen und Patienten (darunter auch Kindern) erreicht. In der Folge können lebensgefährliche Nebenwirkungen, insbesondere ausgeprägte Atemdepressionen auftreten. Nach Angaben der FDA waren die drei verstorbenen Kinder „Ultra-rapid“-Metabolisierer, das vierte Kind war ein „extensiver“ Metabolisierer.

Die Häufigkeit von „Ultra-rapid“-Metabolisieren“ variiert zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen. Basierend auf Literaturdaten ist für Kaukasier (Europäer) eine Prävalenz von 1-7% anzunehmen. Bei Menschen afrikanischer Abstammung wird die Prävalenz mit bis zu 29% angegeben, und kann in Iberiern (Spanien, Portugal, Südamerika) 4 bis 5% erreichen.

Aus Deutschland liegt dem BfArM für Codein ein einzelner Todesfall im Kindesalter vor (im Zeitraum von 1978 bis August 2012). Bei zwei 3-jährigen eineiigen Zwillingen, die im Rahmen einer Erkältung mit Codein behandelt wurden, kam es zu einer Codeinvergiftung. Diese führte bei einem Zwilling zum Tod, der andere Zwilling konnte erfolgreich wiederbelebt werden. Beide Kinder waren „extensive“ Metabolisierer und wiesen hohe Opiatspiegel auf. Die Dosierung des Arzneimittels war nicht mit Hilfe des beigelegten Messlöffels erfolgt, sodass eine Überdosierung nicht sicher ausgeschlossen werden kann. In der nationalen Datenbank zu unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen liegen dem BfArM weitere Berichte zu Abgeschlagenheit, Schläfrigkeit und Atemnot bei Kindern nach Codeinanwendung vor, wobei in den meisten Fällen von einer versehentlichen Überdosierung berichtet wurde. Insgesamt liegen zu Codein 250 Nebenwirkungsmeldungen aus Deutschland vor, von denen 20 Berichte Kinder im Alter bis zu 12 Jahren betreffen.

In diesem Zusammenhang möchte das BfArM auf die genaue Einhaltung der Dosierungsanleitung für codeinhaltige Arzneimittel hinweisen. Insbesondere bei kleinen Kindern sollte die Codeindosis so niedrig wie möglich und die Dauer der Behandlung so kurz wie möglich sein. Zu den möglichen Symptomen einer Codeinvergiftung gehören ungewöhnliche Schläfrigkeit, Verwirrtheit, schwere und laute Atmung sowie Atemnot. Diese Symptome können auch bei Einhaltung der empfohlenen Dosierungen auftreten. Kinder, die mit Codein behandelt werden, sollten aufmerksam beobachtet werden. Sofern die beschriebenen Symptome auftreten, sollten Eltern die Therapie beenden und einen Arzt konsultieren.

Die Problematik und die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen sind derzeit Gegenstand von Beratungen des Europäischen Ausschusses für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz.

Ph.D.; Professor in Pharmacology and Toxicology. Senior expert in theragenomic and personalized medicine and individualized drug safety. Senior expert in pharmaco- and toxicogenetics. Senior expert in human safety of drugs, chemicals, environmental pollutants, and dietary ingredients.