Die Pille: Erhöhen gewisse Kontrazeptiva das Risiko für potenziell lebensbedrohende VTEs?

Die Pille: Erhöhen gewisse Kontrazeptiva das Risiko für potenziell lebensbedrohende VTEs?

Last Updated on January 2, 2019 by Joseph Gut – thasso

24. Dezember 2018 – Ja, das tun sie. Gemäss dem Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sind kombinierte hormonale Kontrazeptiva (KHK), welche die Wirkstoffe Dienogest und Ethinylestradiol enthalten,  sowohl in Deutschland wie auch in vielen anderen Ländern zugelassen zur oralen hormonalen Kontrazeption und zur Behandlung von mittelschwerer Akne nach Versagen geeigneter topischer Therapien oder einer oralen Antibiotikabehandlung bei Frauen, die sich für die Anwendung eines oralen Kontrazeptivums entscheiden. Die Anwendung von Kontrazeptiva birgt jedoch das Risiko venöser Thromboembolien.

Für Frauen: Beten dass nicht passiert.

Die Höhe des Risikos venöser Thromboembolien (VTE) unter der Einnahme einer Kombination aus Dienogest und Ethinylestradiol konnte im Rahmen eines 2014 abgeschlossenen Risikobewertungsverfahrens nicht genau definiert werden. Eine Metaanalyse von vier Beobachtungsstudien kam nun zu dem Ergebnis, dass KHK, die Dienogest und Ethinylestradiol enthalten, mit einem leicht (1,6-fach) erhöhten Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) assoziiert sind im Vergleich zu KHK, die Levonorgestrel und Ethinylestradiol enthalten.

Bei der Verordnung eines KHK sollten die aktuellen, individuellen Risikofaktoren der einzelnen Patientin – insbesondere die VTE-Risikofaktoren – sowie das erhöhte VTE-Risiko von KHK, die Dienogest und Ethinylestradiol enthalten im Vergleich zu KHK, die Levonorgestrel, Norgestimat oder Norethisteron in Kombination mit Ethinylestradiol enthalten, berücksichtigt werden. Eine Gesamtübersicht über das VTE-Risiko unter der Anwendung von Dienogest in Kombination mit Ethinylestradiol sowie eine vergleichende Übersicht des VTE-Risikos aller kombinierten hormonalen Kontrazeptiva findet sich im eben veröffentlichten Rote-Hand-Brief der Firma Jenapharm in Zusammenarbeit mit dem BfArM und stellt sich wie folgt dar:

 

Gestagen im KHK (Ethinylestradiol‐haltiges Kombinationspräparat, sofern nicht anders angegeben)

Relatives Risiko im Vergleich zu Levonorgestrel

page3image6952Geschätzte Inzidenz (pro 10.000 Frauen und pro Anwendungsjahr)

Nichtschwangere Nichtanwenderinnen

2

Levonorgestrel

Referenz

5–7

Norgestimat / Norethisteron

1,0

5–7

Dienogest

1,6

8‐11

Gestoden / Desogestrel / Drospirenon

1,5–2,0

9–12

Etonogestrel / Norelgestromin

1,0–2,0

6–12

Chlormadinon / Nomegestrolacetat (E2)

Noch zu bestätigen1

page3image25328Noch zu bestätigen1

 

Insgesamt kann gesagt werden dass, a) kombinierte hormonale Kontrazeptiva (KHK), die Dienogest und Ethinylestradiol (DNG/EE) enthalten, mit einem leicht erhöhten Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) assoziiert sind im Vergleich zu KHK, die Levonorgestrel und Ethinylestradiol (LNG/EE) enthalten, b) das jährliche Risiko für eine VTE bei Frauen, die DNG/EE verwenden, auf 8‐11 VTE‐Fälle pro 10.000 Frauen geschätzt wird, und c)  im Vergleich bei Frauen, welche ein KHK anwenden, welches Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat enthält, die jährliche Inzidenz bei 5‐7 VTE‐Fällen pro 10.000 Frauen liegt:

Diese Anzahl durch Kontrazeptiva induzierten Fälle einer VTE steht in Relation zu 2 Fällen pro 10’000 Frauen pro Jahr, welche Nichtanwenderinnen kombinierter hormonaler Kontrazeptiva sind; dies entspricht der spontanen Rate einer VTE in der generellen weiblichen Bevölkerung. Das Ereignis an sich ist also sehr selten, wird jedoch durch KHK’s erhöht, vor allem mit Präparaten, welche die Kombination DNG/EE enthalten. Und, das Ereignis ist für die Betroffenen lebensbedrohend.

Neuere Studien zeigen auf (sehen sie hier), dass genetische Prädispositionen for VTE existieren, und dass diese Prädispositionen vor allem in jungen Patientinnen eine wichtige Rolle zu spielen scheinen. Sollten sich diese Beobachtungen erhärten, könnte es wichtig werden, vor allem bei jungen und jüngsten Patientinnen, welchen in zunehmenden KHK z.B. zur Behandlung von Akne verschrieben werden, prophylaktische Gentests durchzuführen, bevor KHK’s verschrieben werden, um die Mädchen und jungen Frauen “at risk” zu identifizieren und vor einer Behandlung mit KHK’s zu schützen (im Klartext, auszuschliessen).

Sehen sie hier ein Video, welches die Problematik der KHK’s für Frauen bespricht, und aufzeigt, dass die oben aufgeführten Zahlen zu KHK induzierten VTE relativiert, wie eben auch die Handhabung der KHK im Alltag,  Sie mögen sich ihre eigene Meinung bilden, sie mögen durchaus auch das Verhalten einer gewissen Firma zur Kenntnis nehmen.

 

Sehen sie hier das praktische Verhalten eine scheinbar renommierten Pharma-Firma in der Handhabung von Daten, welche sich aus betroffenen Patienten ergeben: Man könnte, sagen, es handelt sich um für Patientinnen potenziell tödliche “corporate” Arroganz.

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Professor in Pharmakologie und Toxikologie. Experte in theragenomischer und personalisierter Medizin und individualisierter Arzneimittelsicherheit. Experte in Pharmako- und Toxiko-Genetik. Experte in der klinischen Sicherheit von Arzneimitteln, Chemikalien, Umweltschadstoffen und Nahrungsinhaltsstoffen.

1 Comment on “Die Pille: Erhöhen gewisse Kontrazeptiva das Risiko für potenziell lebensbedrohende VTEs?

  1. Neben VTE’s gibt es natürlich viel andere Risiken, welche mit hormonellen Kontrazeptiva daherkommen, und oft einfach vergessen oder unterdrückt werden. Ein gutes Beispiel dazu wäre der neue Warnhinweis zu Suizidalität als mögliche Folge einer Depression unter der Anwendung hormoneller Kontrazeptiva.

    Danach informieren die Zulassungsinhaber hormoneller Kontrazeptiva in Abstimmung mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über die Sicherheit hormoneller Kontrazeptiva im Zusammenhang mit Depressionen in der Form eines Rote-Hand-Briefes wie folgt:

    Depressive Verstimmung und Depression stellen bei der Anwendung hormoneller Kontrazeptiva allgemein bekannte Nebenwirkungen dar. Depressionen können schwerwiegend sein und sind ein allgemein bekannter Risikofaktor für suizidales Verhalten und Suizid. Auf Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) wird ein neuer Warnhinweis hierzu in die Fach-und Gebrauchsinformation hormoneller Kontrazeptiva aufgenommen. Frauen sollte geraten werden, sich im Falle von Stimmungsschwankungen und depressiven Symptomen – auch wenn diese kurz nach Einleitung der Behandlung auftreten – mit Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin in Verbindung zu setzen.

    Hier die Quelle:

    https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2019/rhb-hormonelle-kontrazeptiva.html