Ergänzungen der Produktinformationen hinsichtlich des Risikos für das Auftreten schwerer Hautreaktionen erforderlich für Arzneimittel welche die Wirkstoffe Carbamazepin, Oxcarbamazepin, Lamotrigin, Phenobarbital, Phenytoin, Sulfamethoxazol, Sulfasalazin, Sulfadiazin, Meloxicam, Piroxicam, oder Nevirapin enthalten.

Last Updated on December 2, 2015 by Joseph Gut – thasso

24. Januar 2013 – Es gibt zunehmend Hinweise für einen Zusammenhang zwischen genetischen Markern (Allele) und dem Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen der Haut wie Stevens-Johnson Syndrom (SJS), Toxisch Epidermaler Necrose (TEN), Arzneimittelexanthem mit Eosinophilie und systemischen Symptomen (DRESS-Syndrom), weniger schwerer akuter generalisierter exanthematischer Pustulose (AGEP), und makulopapulösem Ausschlag besteht, wenn Patienten mit eine Arzneimittel behandelt werden, welches einen der im Titel (siehe oben) aufgeführten Wirkstoffe enthält.

Bei japanischen und europäischen Patienten stellt man fest, dass eine Assoziation zwischen diesen Reaktionen und der Anwendung eines der aufgeführten Arzneimittel bei gleichzeitigem Vorliegen des Allels HLA-A*3101 besteht. Bei einem weiteren Marker, dem Allel HLA-B*1502, konnte gezeigt werden, dass ein starker Zusammenhang mit dem Auftreten von SJS und TEN bei Han-Chinesen, Thailändern und einigen anderen asiatischen Bevölkerungsgruppen besteht.

Auf regulatorischer europäischer Ebene wurden zu dieser Problematik nun einheitliche Kernaussagen („key elements“) für die Produktinformationen systemisch verabreichter Wirkstoffe, die ein hohes Risiko für das Auftreten schwerer Hautreaktionen wie Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und toxisch epidermale Nekrolyse (TEN) aufweisen, erarbeitet (Veröffentlichung auf der HMA-Webseite PhVWP/CMDh/036/2011). Nach einem durchgeführten Stufenplanverfahren und in Umsetzung der entsprechenden europäischen Empfehlung werden nun in Deutschland auf Anweisung des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinalprodukte (BfArM) die Abschnitte „Warnhinweise“ und „Nebenwirkungen“ der Fach- und Produkt-Informationen aller betroffenen Arzneimittel mit den entsprechenden Informationen, wie nachstehend wiedergegeben, ergänzt.
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Fachinformation; Abschnitt 4.2:

Vor der Entscheidung zur Behandlung mit <betroffenenes Arzneimittel> sollten Patienten Han-chinesischer oder thailändischer Abstammung auf die Genvariante (Allel) HLA-B*1502 hin untersucht werden, wenn dies irgendwie möglich ist. Dieses Allel ist ein starker Prädiktor für das Risiko des Auftretens des Stevens-Johnson-Syndroms bei einer Behandlung mit <betroffenenes Arzneimittel> (siehe Hinweise zu Gentests und Hautreaktionen in Abschnitt 4.4).

Fachinformation; Abschnitt 4.4:

Hautreaktionen

Fälle von lebensbedrohlichen Hautreaktionen (Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und Toxisch epidermaler Nekrolyse (TEN)) wurden in Zusammenhang mit der Anwendung von <betroffenenes Arzneimittel> berichtet. Die Patienten sollten über die Anzeichen und Symptome dieser schweren Nebenwirkungen informiert und engmaschig bezüglich des Auftretens von Hautreaktionen überwacht werden.

Das Risiko für das Auftreten von SJS oder TEN ist in den ersten Behandlungswochen am höchsten. Wenn Anzeichen oder Symptome für ein SJS oder eine TEN auftreten (z.B. ein progredienter Hautausschlag, oft mit Blasenbildung oder begleitenden Schleimhautläsionen), muss die Therapie mit <betroffenenes Arzneimittel> beendet werden. Der Verlauf von SJS und TEN wird maßgeblich von der frühzeitigen Diagnosestellung und dem sofortigen Absetzen aller verdächtigen Arzneimittel bestimmt, d.h. frühzeitiges Absetzen verbessert die Prognose. Nach Auftreten eines SJS oder einer TEN in Zusammenhang mit der Anwendung von <betroffenenes Arzneimittel> darf der Patient/die Patientin nie wieder mit <betroffenenes Arzneimittel> behandelt werden.

Schwere und in einigen Fällen tödliche Hautreaktionen, wie toxische epidermaler Nekrolyse (TEN) und Stevens-Johnson-Syndrom (SJS), treten bei schätzungsweise 1 – 6 von 10‘000 neuen Anwendern in Ländern mit hauptsächlich kaukasischer Bevölkerung auf, aber in einigen asiatischen Ländern liegt das Risiko den Schätzungen nach etwa 10-mal höher. Es liegen vermehrt Hinweise darauf vor, dass verschiedene HLA-Allele bei der Prädisposition von Patienten für immunvermittelte unerwünschte Reaktionen eine Rolle spielen (siehe Abschnitt 4.2).

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Bitte beachten Sie, dass in den obenstehenden Texten <betroffenenes Arzneimittel> sinngemäss für jedes Arzneimittel steht, welches einen der Wirksoffe Carbamazepin, Oxcarbamazepin, Lamotrigin, Phenobarbital, Phenytoin, Sulfamethoxazol, Sulfasalazin, Sulfadiazin, Meloxicam, Piroxicam, oder Nevirapin enhält. Der nachfolgende Abschnitt enthält den Text der Fachinformation für Arzneimittel, welche Carbamazepin als Wirkstoff enthalten. Die entsprechenden Texte der Fachinfomationen aller anderen Arzneimittel werden sinngemäss gleich sein, mit allfälligen Präzisierungen das entsprechende Arzneimittel betreffend.

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Fachinformation; Abschnitt 4.4:

Genvariante (Allel) HLA-A*3101 – Personen europäischer und japanischer Abstammung.

Es liegen Daten vor, die darauf hinweisen, dass das Allel HLA-A*3101 bei Personen mit europäischer Abstammung sowie bei Japanern mit einem erhöhten Risiko von Carbamazepin-induzierten unerwünschten Arzneimittelwirkungen der Haut assoziiert ist, z. B., SJS, TEN, Arzneimittelexanthem mit Eosinophilie und systemischen Symptomen (DRESS-Syndrom) oder weniger schwerer akuter generalisierter exanthematischer Pustulose (AGEP) und makulopapulösem Arzneimittelexanthem (siehe Abschnitt 4.8).

Die Häufigkeit des HLA-A*3101-Allels zeigt starke Variationen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Das Allel HLA-A*3101 hat eine Prävalenz von 2 % bis 5 % in der europäischen Bevölkerung und von etwa 10 % bei der japanischen Bevölkerung. Das Vorliegen des Allels HLA-A*3101 kann das Risiko Carbamazepin-induzierter Hautreaktionen (in den meisten Fällen von geringerem Schweregrad) von 5,0 % bei der Allgemeinbevölkerung auf. 26,0 % bei Patienten europäischer Abstammung steigern, wohingegen das Fehlen dieses Allels das Risiko von 5,0 % auf 3,8 % senken kann.

Es liegen keine ausreichenden Daten für die Empfehlung einer Untersuchung auf das Vorliegen des Allels HLA-A*3101 vor Beginn einer Behandlung mit Carbamazepin vor. Ist bei Patienten europäischer oder japanischer Herkunft bekannt, dass sie das Allel HLA-A*3101 tragen, kann die Anwendung von Carbamazepin in Erwägung gezogen werden, wenn der voraussichtliche Nutzen größer ist als das Risiko.“

Genvariante (Allel) HLA-B*1502 – Han-Chinesen, Thailänder, und andere asiatische Bevölkerungsgruppen.

Es wurde nachgewiesen, dass das Vorhandensein des Allels HLA-B*1502 bei Personen, die von Han Chinesen oder Thailändern abstammen, stark mit dem Risiko des Auftretens schwerer Hautreaktionen, und zwar des Stevens-Johnson-Syndroms, verbunden ist. Die Prävalenz von Trägern des HLA-B*1502-Allels beträgt bei Han Chinesen und Thailändern etwa 10 %. Diese Personen sollten vor Beginn der Therapie mit Carbamzepin genetisch auf dieses Allel hin untersucht werden, wenn dies irgendwie möglich ist (siehe Abschnitt 4.2). Wenn der Test positiv ausfällt, sollte die Behandlung mit Carbamazepin nicht begonnen werden, es sei denn, es steht keine Behandlungsalternative zur Verfügung. Getestete Personen, bei denen kein HLAB* 1502 gefunden wurde, haben ein geringes Risiko für das Auftreten des Stevens-Johnson Syndroms; dennoch können diese Reaktionen selten auftreten.

Einige Daten weisen bei anderen asiatischen Bevölkerungsgruppen auf ein erhöhtes Risiko von schweren Carbamazepin-assoziierten TEN-/SJS-Fällen hin. Aufgrund der Prävalenz dieses Allels bei anderen asiatischen Bevölkerungsgruppen (z. B. über 15 % auf den Philippinen und in Malaysia) kann erwogen werden, Patienten aus genetisch besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen auf das Vorhandensein des Allels HLA-B*1502 zu testen. Die Prävalenz des Allels HLA-B*1502 ist zu vernachlässigen bei Personen europäischer Abstammung, in getesteten afrikanischen und lateinamerikanischen Bevölkerungsgruppen sowie bei Japanern und Koreanern (< 1 %).

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Analog zu den Fachinformationen werden auch die Gebrauchsinformationen entsprechend ergänzt. Bitte beachten Sie, dass in den folgenden Texten wiederum <betroffenenes Arzneimittel> sinngemäss für jedes Arzneimittel steht, welches einen der Wirksoffe Carbamazepin, Oxcarbamazepin, Lamotrigin, Phenobarbital, Phenytoin, Sulfamethoxazol, Sulfasalazin, Sulfadiazin, Meloxicam, Piroxicam, oder Nevirapin enhält.
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Gebrauchsinformation

Abschnitt 2 „Was müssen Sie vor der Einnahme von <betroffenenes Arzneimittel> beachten/ Besondere Vorsicht bei der Einnahme von <betroffenenes Arzneimittel> erforderlich“

„Schwere Hautreaktionen (Stevens-Johnson-Syndrom, Toxisch epidermale Nekrolyse), die möglicherweise lebensbedrohlich sind, wurden in Zusammenhang mit der Anwendung von <betroffenenes Arzneimittel>  berichtet. Diese zeigen sich anfänglich als rötliche, schießscheibenartige oder kreisförmige Flecken (oft mit einer Blase in der Mitte) am Körperstamm. Der Hautausschlag kann zu einer großflächigen Blasenbildung oder Ablösung der Haut führen. Zusätzliche Symptome, auf die geachtet werden sollte, sind offene, schmerzende Stellen (Ulcera) in Mund, Hals, Nase und im Genitalbereich sowie gerötete und geschwollene Augen (Konjunktivitis). Diese möglicherweise lebensbedrohlichen Hautreaktionen werden oft von grippeähnlichen Symptomen (Kopfschmerzen, Fieber und Gliederschmerzen) begleitet.

Das höchste Risiko für das Auftreten dieser schweren Hautreaktionen besteht in den ersten Behandlungswochen. Wenn bei lhnen ein Stevens-Johnson-Syndrom oder eine Toxisch epidermale Nekrolyse in Zusammenhang mit der Anwendung von aufgetreten ist, dürfen Sie nie wieder mit <betroffenenes Arzneimittel>  behandelt werden.

Wenn bei lhnen ein Hautausschlag oder die anderen genannten Symptome an der Haut auftreten, suchen Sie sofort einen Arzt/eine Ärztin auf. Teilen Sie ihr/ihm mit, dass Sie <betroffenenes Arzneimittel>  einnehmen.

Die beschriebenen schweren Hautreaktionen können bei Personen aus bestimmten asiatischen Ländern häufiger auftreten. Wenn Sie zur Bevölkerungsgruppe der Han-Chinesen oder Thailänder gehören, kann Ihr Arzt anhand eines Bluttests erkennen, ob Sie ein erhöhtes Risiko für diese schweren Hautreaktionen haben. Ihr Arzt kann Ihnen sagen, ob vor der Einnahme von <betroffenenes Arzneimittel> ein Bluttest erforderlich ist.

Abschnitt 4 „Welche Nebenwirkungen sind möglich?“:

Häufigkeit: „selten“: „schwere und möglicherweise lebensbedrohliche Hautreaktionen (Stevens-Johnson-Syndrom und Toxisch epidermale Nekrolyse) (siehe Abschnitt 2)“

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Bloggers Kommentar: Diese Revision der Fachinfomation(en) unter Einbezug pharmakogenetischer Evidenz zur Prädisposition von gewissen Patienten(sub)gruppen für das Auftreten von schwerwiegenden, potentiell fataler Arzneimittel-Nebenwirkungen unter Therapie mit den aufgeführten Arzneimitteln stellt einen grossen Schritt auf dem Weg zur sicheren Anwendung personalisierter Medizin dar. Die hier aufgezeigten, und durch entsprechende diagnostische (genetische Tests) und therapeutische (stoppen der nicht tolerierten Therapie, alternative Behandlung prädisponierter Patienten) Massnahmen beherrschbaren Risiken werden dazu beitragen, dass sich das Nutzen/Risiko-Verhältnis einer entsprechenden Therapie, wenn denn notwendig, für den einzelnen Patienten beträchtlich erhöht, ganz im Sinne sinnvoller personalisierter Medizin.

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Professor in Pharmakologie und Toxikologie. Experte in theragenomischer und personalisierter Medizin und individualisierter Arzneimittelsicherheit. Experte in Pharmako- und Toxiko-Genetik. Experte in der klinischen Sicherheit von Arzneimitteln, Chemikalien, Umweltschadstoffen und Nahrungsinhaltsstoffen.